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Kampf ums Licht

Nichts hat die jahrelange Dokumentation mehr geprägt, als die intensive Suche nach der richtigen Stimmung. Es ist immer dieser Kampf ums beste Licht und das richtige Timing. Thurnher weiß wie emotional so eine Morgendämmerung für die Geschichte ist, kommt aber anfangs kaum aus dem Federn. Er leidet unter Kognitiver Dissonanz - oder anders gesprochen: der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Er erreicht dadurch nur ca. 70% seiner Planungen, wie er selbst zugibt. Im Zweifelsfall eher liegen bleiben ist bis Ende 2001 Standard und verinnerlicht sich. Und wenn er sich bei Jens Weber meldet und verschiebt, ist dem anderen das auch recht und billig. Aber genau dieses letzte Drittel ist so entscheidend – hier spielen sich die besten Lichtstimmungen ab, Hier tritt die Sonne nach einer Stunde Aufstieg auf den Berg plötzlich und unvermutet hinter dem Gewölk hervor und lässt alles in ein faszinierendes Licht tauchen. Hier blinzelt durch ein winziges Loch das letzte Sonnenlicht und macht den düsteren Himmel noch dunkler und das angestrahlte noch heller. Erst mit Bertschler im Rücken, gibt man sich diese Blösse des Verschiebens nicht mehr, man traut es sich gar nicht mehr. Ein Zuchtmeister, der einen am Morgen aus dem Bett holt - einer bei dem man spurt, bei einem dem man nicht sagen kann, „es geht heute nicht“. Kommen, auch wenn einem schlecht ist - selbst in der Gewissheit, dass es bei dem Wetter wirklich nichts bringt. So war es mit Bertschler, man konnte nicht absagen! Nicht, dass es auch ohne Bertschler nicht auch gegangen wäre und es Erfolge gegeben hätte, aber die Quote war höher, eindeutig. Was haben die beiden im Dornbirner Hinterland nicht alles erlebt und gesehen an grandiosen Wetterphänomen,  und vielfach war es das unverhoffte Wetterphänomen, welches plötzlich und unvermutet über sie gekommen war und sie gefesselt hat. Wie war es an der Qulle der Ebniter Ach an der Westseite des Hohen Freschens. Der ganze Weg nur Bewölkung, aber kaum kamen beide an die Quelle, da plötzlich reisst der Himmel auf und wirft die letzten Sonnenstrahlen an die Westseite des Hohen Freschen, den kaum einer bei dieser Lichtstimmung gesehen hatte, weil die Wege zu lang, und die Zeit zu knapp ist für zurück...

Übernachtungen bei Minusgraden in über 3000m Höhe nur mit Schlafsack und Biwak, in winddurchzogenen Schutz, Heu- und Feldhütten. In überlaufenen Berghütten und in unbequemen Mulden. Aber auch lange mühevolle Aufstiege unter zeitlichem Druck prägten über Jahre die Suche nach der idealen Stimmung. Angetrieben durch einen Feldwebel und Zuchtmeister der die Mannschaft morgens unsanft aus den Träumen riss. Dies war ein Teil des Erfolges für das Einfangen außergewöhnlicher Aufnahmen. Die bildliche Basis dieser Arbeit entstand aber bereits Jahre zuvor im urbanen Raum: Die Grundlagen für das richtige Timing für Stimmungen und die richtige Lichtsituation wurde von Hanno Thurnher bereits in den 1990er Jahren im urbanen Raum gelegt. Damals war er oft tagelang mit seinem Fahrrad in den europäischen Metropolen unterwegs, um ein Fotoarchiv aufzubauen. Es entwickelte sich in dieser Zeit eine genaue Kenntnis, wie die Lichtverhältnisse optimal genutzt werden können, auch ohne die Situation vorher mit eigenen Augen gesehen zu haben.

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