top of page
Eisklettern.jpg
Rappenloch im Winter 041.jpg

In eisiger Kälte (2001)
nicht korrigiert

Ein gewaltiges Naturspektakel spielt sich im Dezember 2001 hinter Dornbirn ab. Ein Ereignis, das es seit den 1980er Jahre in dieser Form nicht mehr gegeben hat. Das Team ist schwer beeindruckt von dem Schauspiel von Kälte und Eis. Selbst als Thurnher mehr als nur eine spektakuläre Eisaufnahme im Gütle will und sich der Aufwand um ein Vielfaches steigern sollte, lässt die Begeisterung nicht nach......

Mike Bertschler und Hanno Thurnher stapfen durch den tiefen Schnee hinunter zur Ache. Beide blicken Richtung Wasserfall: „Was für ein Winterzauber“, entkommt es Thurnher. Das Wasser fließt nur noch eingeschränkt an den Rändern des bereits völlig vereisten Wasserfalles entlang. Die umliegenden Tannen tragen schwer an der Schneelast und die Bäume, welche ganz nah stehen, sind ebenfalls mit dickem Eis überzogen, wie ein riesiger, polarer Zuckerguss.
Bereits Anfang Dezember hat sich eine arktische Kälte über die schattigen Täler des Landes gelegt und alles in dieses seltene Spektakel verwandelt. Es ist bitterkalt, aber die Faszination unterdrückt das Kältegefühl. „Bald ist das letzte Wasser zu Eis geworden, dann wird es totenstill und alles erstarrt. Hier müssen wir sofort reagieren“, so Thurnher und bald ist eine Kranposition gefunden. Vor der Parzelle Gütle, direkt an der Ache hat Thurnher „großes Potenzial“ entdeckt. Nach dem ein weiterer Helfer gefunden wird, in Person von Martin Matt, geht es am nächsten Tag an die Arbeit. Bereits am späten Vormittag gleitet der 12 m lange Kranarm in einer nicht enden wollenden Kamerafahrt knapp über die bizarre Eislandschaft der Dornbirner Ache. Was für eine Aufnahme schwärmen alle. Am Ende wird sie 70 Sekunden lang sein und den Abspann der Naturdokumentation „dornbirnerLand“ krönen.
Nachdem alles erledigt ist, fährt Thurnher nochmal ins Gütle, übersteig die Absperrung auf dem Weg ins Rappenloch. „Eine so außergewöhnliche Aufnahme mit so wenig Aufwand,, da geht noch mehr“ denkt er sich, und stapft durch den hartgefrorenen Schnee.Fasziniert von der fast unwirklichen Winterlandschaft, ist er auf der Suche nach einer weiteren Einstellung und nach einer Stunde hat er das richtige Motiv gefunden: Der 2. Wasserfall. Was für ein Bild! Ein einziger „Eisklumpen“ prosaisch gesprochen, aber je näher man dem Phänomen kommt, desto größer wird die Faszination vor diesem Kunstwerk aus Wasser und Kälte. Und schnell hat er ein fertiges Bild im Kopf:
Der Kran gleitet knapp an den aufwölbenden Eisschichten entlang in den Abgrund. Die Tiefe des Bildes kommt so richtig zur Geltung. Eine cineastische Einstellung der Extraklasse. Und dann vielleicht noch ein Eiskletterer, der „heroisch“ hinunterklettert. Peter Schäffler (1963-2006), ein international bekannter Bergsteiger und Eiskletterer, das würde die Sache krönen“, schwärmt Thurnher, um gleich von Zweifeln eingeholt zu werden: „Aber wie soll das gehen, alles eng, keine Möglichkeit den Kran zu verschieben, hier muss alles auf den Millimeter genau eingerichtet werden, sonst wird das alles nichts. Nur eine einzige Einstellung ist möglich und die ist in der Höhe auch noch begrenzt.“ Er beginnt zu messen. Nach hinten, kaum Platz da steht ein Geländer, aber das kann man abmontieren, aber der Steher? Da kommt man gerade noch vorbei. Welche Kranarmlänge sich da ausgeht? - 12,43 m – misst er aus - unglaublich - passt ganz genau für die größte Variante - „das Risiko gehe ich ein!“ Hier muss der Dolly hin, dann geht sich das aus. Er ballt die Faust: „Das wird was!“ Danach sieht er sich auf dem Weg zurück den Besten Weg für die Logistik an. Es geht nur über die zugefrorene Ache - orografisch - vor dem 1. Wasserfall. Da gibt es eine Zufahrt von der Ebniter Strasse, die mit einem Aebi-Fahrzeug zu bewältigen ist. “Aber, wie verklickere ich das nur den anderen?“

 

 
Aubauwinter33.jpg
GB Rappenloch 01.jpg

2 Tage später ist der Aebi durch Bertschler organisiert und Matin Matt hilft wieder mit. Nach dem Transport schleppen die drei das Equipment über die Ache. Auf dem zugeschneiten Fußgängerweg wird der Dolly herhalten für den Weitertransport bis zur Stiege. Ein Gewichtstein nach dem nächsten wird auf das robuste Teil gelegt. Nach knapp 20 Stück (300 kg) ist genug. Dann noch Stativ und Kleinteile und es geht Richtung Rappenloch. Matt zieht vorne und Bertschler schiebt hinten. Es knistert der Schnee unter der schweren Last, doch mit der Zeit übertönt vom Schnaufen und Stöhnen. Die verzauberte Winterlandschaft verliert schnell an Strahlkraft und immer mehr ist auch ein leises Fluchen zu vernehmen. Die ersten Gewichtsteine werden vor der Stiege abgeladen.
Insgesamt fünf Mal muss der Weg genommen werden. Nach einer kurzen Pause, erfolgt der 3. Schritt: Alles über die Stiege. Die Gewichte sind der einfache Part - schwer, aber handlich. Danach die Kranteile. Es wird der Weg noch gesalzen und Split gestreut, um rutschen zu verhindern. „Ich kann mir jetzt keine Verletzten leisten“, meint Thurnher in Gutsherrenmanier! „Du läuft hier herum wie der Generaltruppeninspektor und machst alle irre!“ „GTI? Woher kennst du den Titel des ranghöchste Bundesheer-Offiziers?, fragt Thurnher verwundert. „Den kennen eigentlich nur Martin und ich, denn im Vergleich zu dir, haben wir gedient, gemeinsam in Innsbruck-Kranebitten. Viel gelernt haben wir da nicht, aber immerhin“, in leichter Ironie „Echt komisch“, meint Matt. „Ein verkappter Militär, der Mike?“ „Nein, eher Paramilitär, ein Tschetnik sozusagen“, ergänzt Thurnher „Ich werde euch gleich helfen, ihr notorischen Langschläfer“ Nach einer kurzen Auseinandersetzung über Disziplin und Pünktlichkeit, wird weitergemacht. Mühsam geht es jetzt Teil für Teil nach oben, manche Stücke werden alleine getragen, manche zu zweit. Martin Matt muss immer wieder Pausen einlegen. „So Herr Matt, alles ok bei Ihnen“, die Bertschlersche-Umschreibung für „geht es nicht schneller!“ Dann die schwersten Teile: Der Korb und das Mittelteil, aber irgendwann ist auch das erledigt. Jetzt noch der Dolly, das ist die größte Herausforderung! „Hau ruck, hau ruck, hau ruck“, schallt es durch die Wälder! Auch beim weiteren Weg bleibt es mühsam. Auf dem engen Steg zum Drehort muss der Dolly hochgestellt geschoben und gerollt werden. Dann ragt wieder der Felsen hervor, dann rutscht er nicht richtig, die Sache nagt an den Nerven. Manche Dinge schiebt man mit der Schubkarre, aber die meisten Teile müssen getragen werden. Nach über vier Stunden – kurz vor 12 Uhr mittags - ist das letzte Tel vor Ort.
Mittagspause im Gasthaus Gütle bei Robert Rodia, Knox“ genannt, der die drei mit guter Laune empfängt. Irgendwann tauen die Füße unter Schmerzen auf. Knox gibt noch ein paar Sprüche zum Besten und um 14 Uhr kehren die drei zurück. Der Dolly ist schnell positioniert und geschiftet - dann die Bazooka, selbst das schwere Mittelteil ist gleich verankert. 1. Kranarmverlängerung nach vor, dann schwere Rückteilverlängerung eingehängt, 2. Kranarmverlängerung nach vor, Stütze unter die Verlängerung und 3. Kranarmverlängerung, Parallellogrammstangen vorne und hinten verkuppelt! Verstrebungen eingehängt und festgezurrt! Dann der Korb. Ein ewiges hin und her, er schwankt mal nach rechts nach links und gefährlich nach hinten und es gelingt nicht ihn einzuhängen, da der Kran von links (Schlucht) nicht zugänglich ist. Befehle, Gegenbefehle wechseln, bis das Teil wieder auf dem Boden landet. „So geht es nicht, ich bin hier der Kommandeur, verstanden. Ich weiß, wie man das macht, Ok, hast du verstanden?“ lässt Thurnher energisch wissen. Noch einmal und es gelingt unverzüglich. Jetzt müssen an der Stiege entlang die weiteren Verlängerungen angebracht werden und hinten am Korb die Gewichte für die Balance eingeladen werden. Beim Einhängen des 5. Kranarmteiles mitten auf der steilen Stiege, rutscht Matt aus und poltert über die Stufen. „Oje, Herr Matt, geht Ihnen?“ fragt Bertscher verschlagen. Matt´s Kappe ist verrutscht, sonst ist nichts passiert. „Geh du einladen, ich geh nach vorne, meint Bertschler. Schnell sind die vorletzten Teile eingehängt und beide schauen dem „Tiroler“ zu, wie er sich abmüht immer höher die Gewichte in den Korb einzuladen. Jetzt betrachten sie das erste Mal seine Kopfbedeckung genauer, wie sie jedesmal verrutscht, wenn er unter dem Korb hindurch die nächsten Gewichte holt. Ein Riesenteil einer Sportkappe, hoch wie eine Bischofsmütze – mal quetscht es sie ein, mal reißt ihm diese ganz vom Kopf. Wie ein Running-Gag. „Vorsicht Herr Matt Kopfbedeckungsoberkante beachten“ ruft Bertschler ihm zu. Und bei jedem Mal zurechtrücken, sieht die Mütze anders aus, mal wie ein unendlich in die Höhe gezogener Zweispitz, mal zylindrisch, mal wie ein Schiffsschornstein, aber meist wie eine übergroße, gequetschte Jakobinermütze. Die beiden beobachten gefesselt die Szene und können sich kaum halten vor Lachen. Irgendwann fällt Matt die Untätigkeit der beiden auf. Kurzes Aufbegehren, aber am Ende lacht der Tiroler noch laut mit. So laut, dass es dem akustisch hypersensiblen Bertschler schnell zu viel wird. „Mensch Martin, lach nicht so laut, sonst bricht das Eis ab und alles war umsonst!“
Danach müssen die letzten beiden Teilen bereits direkt auf der Brücke zu dritt eingehängt und umständlich die Parallellogrammstangen eingefügt werden. Am Ende kommt noch der Galgen. Aber um 16:10 Uhr steht der Kran - Es dämmert bereits, aber es ist geschafft, Peter Schäffler und seine Lebensgefährtin können am nächsten Tag kommen…

 

GB Rappenloch 02.jpg
lu02 Rappenloch.jpg
DSCN3946.jpg
bottom of page