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4-teiliges HD-Projekt

Oktober 2005 - September 2008

CINEDOKU VORARLBERG

Das HD-Zeitalter beginnt

Nach einem produktionsfreien September, beginnt am 3. Oktober das HD-Zeitalter im frisch verschneiten Vermunt ein neues Zeitalter: Nachdem Hanno Thurnher im Sommer drei Tage eine neue Kamera testen kann, gibt es kein zurück. Zu begeistert ist man von der HD-Technik. 5x höhere Auflösung und endlich kann die Natur so abgebildet werden, wie man sie auch mit freiem Auge sieht. Bald ist der Schnee in der milden Luft des Herbstföhnes geschmolzen, fahren Hanno Thurnher und Jens Weber mit schwerem Geschütz nach Vermunt

um die CINEDOKU VORARLBERG zu starten.

Zu Beginn des Sommers 2005 findet eine Zäsur statt. „Sollen wir das Gebiet des Montafons wirklich mit der „alten“ Kameratechnik in Angriff nehmen“, fragt sich Thurnher. „Den ganzen, geplanten Aufwand machen, wenn technisch vielleicht in ein paar Jahren alles schon zum alten Eisen gehört?“ Thurnher spürt den technischen Wandel, der bevorsteht, aber für viele, selbst in der Branche, noch weit entfernt ist! Ganz zu schweigen vom Konsumenten. Das Fernsehen strahlt seine Sendungen noch im 4:3 Format aus. Selbst der Umstieg auf 16:9 ist erst für das Jahr 2007 geplant. Er weiß aber (spätestens seit seinem Film über die ehemalige Innerdeutsche Grenze im Oktober 1989) wie schnell Wandel passieren kann! Ob politisch, technisch, oder gesellschaftlich, wenn er einsetzt, geht es ruckzuck.

3 Tage und 3 Nächte ist Thurnher in der Natur, in der Stadt und auch bei den Bregenzer Festspielen unterwegs, um die Kamera umfassend zu testen. Das Ergebnis ist echt beeindruckend – in allen Belangen. Die Entscheidung steht bald fest: Die Kamera wird gekauft, trotz der hohen Kosten von € 107.000,00 (incl. HD Weitwinkeloptik). Lieferzeit: 75 Tage. Anfang Oktober soll das Teil eintreffen. In der Zwischenzeit gibt es noch einige Drehs mit alter Technik, wie der spontane Einsatz beim Hochwasser am 23. August 2005 im Bregenzerwald und am Arlberg 2 Tage später. Der September 2005 bleibt produktionsfrei, da Thurnher keinen Assistenten zur Verfügung hat. Es finden aber bereits umfangreiche Planungen für das HD-Zeitalter statt.

Die Lieferung der neuen Technik kommt pünktlich. Alles ist bereits minutiös vorbereitet. Es werden viele Szenen neu gedreht werden müssen. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Der Start erfolgt nach kurzem Test in der näheren Umgebung und dann auf der Bielerhöhe mit Jens Weber. Alles ist angezuckert vom ersten Schnee. Gleichzeitig sollen die Kranaufnahmen in der Silvretta an den drei Staumauern Vermunt, Silvrettasee und Kops wiederholt werden. Man wartet bis der Schnee in der milden Herbstsonne geschmolzen ist, um das Projekt anzugehen. Anstrengende Tage, aber die Begeisterung über die neue Technik überwiegt. Was für ein Blick durch den Sucher, als der Kran über die Vermuntstaumauer schwenkt und die grandiose Bergwelt von Groß Litzner (3109 m) und Groß Seehorn (3121 m) sichtbar werden.

Aber eins wird schnell auch deutlich - die neue Technik ist erbarmungslos. Wenn das Wetter nicht passt, ist das Material kaum zu brauchen. Zum Vergleich, „zauberte“ die alte Kamera (Digital-Betacam) und ließ die Umgebung erstrahlen, auch wenn das Wetter wenig prächtig war. Auch bei den Hauttönen ist das alte Format gnädiger als die neue Technik. Aber es gibt noch kein ideales Set-up. Aber das Revolutionäre, die Auflösung überflügelt alles! Endlich wird die Natur abgebildet, wie man sie wirklich sieht, endlich ein Bild, das der Natur gerecht wird.

Mitte Oktober stehen Aufnahmen im Klostertal an. Fassungslos stehen Jens Weber und Hanno Thurnher an der Klostertaler Bundesstraße zwischen Braz und Dallas und starren ungläubig auf eine ehemalige Weide! Da, wo im Frühjahr noch Kühe grasten, liegt jetzt eine riesige Steinwüste. Alles ist mit Steinen, Kies, Ästen und ganzen Baumstämmen, Sand und Schlick verlegt. Kaum ein Fleck, wo das Gras noch sichtbar ist. Das Alfenz-Hochwasser vom 22. und 23 August hat hier ganze Arbeit geleistet. Die beiden können es sich nicht vorstellen, dass hier wieder mal Kühe weiden werden, so ist das Gelände verwüstet worden. Einige Minuten später schleppen sie die Kranteile in der morgendlichen Kälte zu einer markanten Stelle, um die Szene eindrücklich festzuhalten. Nach einer Stunde ist die Aufnahme erledigt, den Kran lassen sie stehen, da sie für den nächsten Morgen noch ein Dämmerbild geplant haben: Wo die Kamera im blauen Dämmerlicht ganz langsam über die verwüstete Landschaft fährt und alles nach Urlandschaft aussehen lässt.

Die beiden fahren weiter zur Arlbergbahnstrecke hinauf. Erst ins Gebiet von Mason, dann nach Hintergasse. Was für ein Kontrast bietet sich hier, an der Sonnenseite des Tales. Der Herbst hat die Wälder des Klostertales in ein farbliches Paradies verwandelt. Die beiden können sich kaum satt sehen, wie das Farbspektrum zur Geltung kommt. „Und was für „Futter“ für die neue Kamera!“ Nach ein paar Bilder am Bahnhof Hintergasse durchschreiten sie den Fünffinger Tunnel und von dort geht direkt neben der Tasse hoch oben über dem Klostertal Richtung Engelwäldchentunnel. Unvorstellbar den gut 200 m langen Tunnel bei normaler Bahnbetrieb durchzumarschieren, das wäre Lebensgefahr in diesem engen Tunnel. Aber durch die Sperre der Arlbergbahn auf der Ostrampe (Tirol), ist es nach Absprache möglich, den Tunnel zu durchqueren. Hier sind die Farbkontraste noch intensiver, ein unglaubliches Farbenspiel auf der sonnenbeleuchteten Seite kontrastiert intensiv mit den blauschimmernden Felswänden auf der anderen Talseite. Nach wenigen Bildern hören die beiden eigenartige Geräusche nicht weit weg. Plötzlich zeigt Weber zu einem Baum. Ein Schwarzspecht arbeitet sich an einem Baum ab. Thurnher richtet die Kamera hoch und findet im Farbsucher schnell den seltenen Vogel. „Den im SW-Sucher, den findest du ewig nicht“, entkommt es Thurnher und Weber lacht. Faszinierend beobachten die beiden dann minutenlange den Vogel durch den Sucher, während das Band läuft und alles für die Nachwelt festhält.

Doch während dieser traumhaften Tage wird spürbar, dass ein Wiederholen verschiedener Drehs - auch mit der Euphorie der neuen Technik im Rücken - schwer wird. Die Motivation wird nachlassen, die Psyche wird mit der Wiederholung hadern, denn der Zauber des 1. Mal ist verflogen. Das Geld geht aus und dieser letzte Wille zum optimalen Bild und die Euphorie der Anfangszeit wird entgegenstehen. Manche, grandiose Bilder der SD-Technik werden nur zum Teil wiederholbar sein, das wird Thurnher immer mehr bewusst - und manches wird einfach auch aus logistischen Gründen nicht wiederholbar sein - und der Pragmatismus - der Todfeind des künstlerischen Schaffens - wird wie die Schwerkraft - am Ende - wenn nicht alles - doch vieles in der Hand haben…

 

Artikel im Magazin

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