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Das Fanal

Es war der zufällige Beginn und einer der spektakulärsten Drehs der Gesamtproduktion: Der Dreh in der alten Rappenlochschlucht mit dem Phoenix-Kamerakran für einen Imagefilm für die Zumtobel Holding in der künstlich ausgeleuchteten Schlucht. Im Mai 2000 war das Team 2 Tage damit beschäftigt, 2,5 Tonnen Filmmaterial in die Schlucht zu tragen. Vom Staufensee wurden die Einzelteile mühsam in unzähligen Einzelschritten in die Tiefe geschleppt. Allein für die Krangegengewichte (36 Stk.) waren 18 (!) Gänge notwendig. Diese musste der Projektverantwortliche Hanno Thurnher auch selber absolvieren, da sich das Team anfangs geweigert hatte, diesen „Unsinn“ überhaupt mitzumachen...

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Das Fanal

Still ist es geworden am Staufensee zwischen der Rappenloch- und der Alplochschlucht, einige Kilometer hinter Dornbirn an diesem späten Nachmittag im Mai 2000. Größere Besuchergruppen haben das Gebiet gerade verlassen und nur noch vereinzelte Spaziergänger sind noch anzutreffen. Da fährt ein grüner Peugeot 406 vor. Das Fahrzeug wirkt hoffnungslos überladen, obwohl man auf den ersten Blick nichts Großes und Schweres darin erkennen kann. Der Filmemacher Hanno Thurnher steigt aus und zerrt zwei golden schimmernde Teile, die mit einem Griff ausgestatten sind, in einen Rucksack. Die Szene mutet sehr seltsam an. 30 kg Material hat er sich in sein Transportmittel gestopft und er schleppt sich gebückt den langen Weg hinunter bis zur letzten Stiege. Dort, wo das Zentrum der alten* Rappenlochschlucht liegt, legt er das mysteriöse Zeug ab. Gigantisch ragen die dunklen Felsen eng übereinander in die Höhe und bilden diese einzigartige Schlucht. Welch mystischer Ort, von allen verlassen. Nur die durchfließende Ache nimmt mit ihrem hohen Lärmpegel ein wenig den Zauber. Nach kurzem Innehalten nimmt Thurnher die Gewichtsteine aus dem Rucksack und stellt sie neben den Weg. Dann geht er wieder über die Stiegen hoch. 17 Mal noch wird diesen Weg in den nächsten Stunden beschreiten. Die letzten Besucher, die ihm begegnen, wundern sich über sein verkrampftes „wandern“, denn von außen sieht man dem „erschöpften Wandersmann“ das Gewicht in seinem Rucksack nicht an. Einmal versucht er es gar mit 4 Gewichten, muss das Unterfangen aber gleich wieder aufgeben. Zu schwer und zu anstrengend! Nach über drei Stunden ist die Operation geschafft, und die 36 Gegengewichte für den Phoenix-Kamerakran sind in der Schlucht. Alles schön aufgereiht in einer 6 x 6 Formation.

 

Er setzt sich völlig erschöpft neben die 600 kg Gesamtgewicht aus Guss und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ein Ausdruck der Erleichterung und Genugtuung steht in seinem Gesicht. Einige Mal ist er sie schon durchwandert, als Kind und Jugendlicher, im Stehenbleiben betrachtet und für imposant empfunden. Auch vor einer Woche beim Lokalaugenschein. Aber jetzt zwingt ihn die völlige Erschöpfung zum Sitzenbleiben und zum Verweilen. „Was für ein gewaltiges Stück Natur, der große Stein mitten im Bach und die Birke, die aus ihm wächst, mit den satten grünen Blättern, die sich hell vom dunklen Gestein des Schrattenkalkes abheben. Und wie sie sich ganz leicht im Durchzug des Windes bewegen, grandios. Die überhängenden Felsen, die Uneinheitlichkeit der Formen und Farben und der Beschaffenheit, faszinierend.“ Er verliert sich in Gedanken.

 

Thurnher hat tatsächlich vorgelegt, denn sein Team hat für den bevorstehenden Dreh eine Bedingung gestellt: Er, Thurnher, schleppt alle Gegengewichte in die Schlucht, sie machen den Rest! Zu absurd war die Idee, den Kamerakran für ein paar Werbeaufnahmen in die Rappenloch zu tragen. Als er wieder ein wenig Kraft gesammelt hat, quält er sich hinauf um die Heimfahrt anzutreten.

 

Um 8:00 Uhr des darauffolgenden Tages beginnt der 2. Teil: Nicht zu früh, denn bald werden die ersten Besucher kommen. Der Phoenix Kamerakran soll in seiner größten Variante in Einzelteilen in die Schlucht getragen werden. Gleichzeitig kommen auch 300 kg Lichttechnik nach unten. Nur das dazu notwendige Stromaggregat wird oben am Straßenrad positioniert. Jens Weber und Martin Matt stehen bereit. Aber auch noch 2 Muskelmänner wurden organisiert. Thurnher hält sich diesmal schadlos, er hat seine Schuldigkeit getan, wie er sagt. Er will die Sache mit der Kamera für die Nachwelt festhalten und so ein besonderes Stück Verrücktheit zukünftigen Generationen zu hinterlassen. Zu mehr ist er heute auch nicht fähig, ihn quält Muskelkater.

Nach kurzer Besprechung beginnt die Operation. Erst sind es die Kranarmverlängerungen und das Zubehör, was über die vielen Stufen getragen werden muss. Dann folgen die unangenehmen Teile wie der 70 kg schwere, unhandliche Korb für die Gegengewichte, das kompakte, aber 80 kg schwere Mittelteil und am Ende der sperrige Krandolly, mit einem Gewicht von 120 kg, die größte Herausforderung. Immer wieder werden die Teile abgesetzt, denn es ist eine besondere Anstrengung für jeden einzelnen, die Teile so weit zu schleppen. Mal stolpert der eine über eine Wurzel, manchmal auch ein zweites Mal über die selbige, oder schlägt mit Teilen an einen Felsen. Mal ist es einfach die Ermüdung, die zu einer Pause zwingt. Bei den steilen Stiegen ist besondere Vorsicht geboten. Hier werden die Einzelteile auf mehrere Personen aufgeteilt, viel zu gefährlich und zu anstrengend das einzeln zu machen. Teil für Teil wandert hinunter, verwundert beobachtet von den ersten Besuchern. Dann kommt das schwere Mittelteil, das zu viert getragen wird - jeder an einem Griff. Die 80 kg Gesamtgewicht sind so gut verteilt. Bei den engen Stiegen wird es aber sehr kompliziert, sie würgen sich regelrecht über Stock und Stein. Und zuletzt der sperrige Wagen - 160 cm x 150 cm - mit 4 kompakten Gummiräder. Erst auf einem kleinen, schmalen Transportwagen, hochgestellt, um über die enge Staumauer zu kommen. Dann, im engen Winkel auf den Wanderweg. Dort ist der Untergrund zu uneben. Der Dolly wird auf 2 Räder gestellt und leicht nach vorne gekippt und es geht wieder ein paar Meter vorwärts. Doch schnell wird es wieder zu eng und dann die erste Stiege. Dort muss er wieder gedreht werden und auf die Stiege gehoben werden. Ein unendlicher Kraftakt, der viel Schweiß erfordert. Thurnher dokumentiert die Sache genüsslich und gibt noch Anweisungen – Irgendwann ist ein „So eine Schnapsidee“ zu hören, aber sonst nur „Ächz und Stöhn“. Dann durch ein Seil gesichert Zentimeter für Zentimeter hinuntergelassen. Eine elende Schinderei. Unten müssen die ersten Besucher anhalten werden. Manch ein Besucher gibt Tipps wie man es besser machen kann, „klar aus welchem Land die Tipps kommen“, ächzt Weber. Aber es sind auch Schweizer dabei und deren Tipps sind noch detaillierter. Dann über die Stufen, die ungesichert und ohne Geländer sind. Meter für Meter, dann folgt wieder eine enge Stiege, alles wieder hochgestelt, wieder ein Knick. Aber dann haben die vier es tatsächlich geschafft – das sperrige Teil ist in der Schlucht an seinem Platz angekommen – Pause und kurze Entspannung bevor in dem unebenen Gelände mit Holz geschiftet wird, um den Dolly in eine ebene Position zu bringen. Danach folgt der Aufbau, der trotz des engen Raumes relativ schnell von statten geht. Bald steht der Phoenix-Kran imposant zwischen den Felsen.





 

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Der Lichttechniker Alexander Schwendinger ist vor ein paar Minuten eingetroffen und gibt Anweisungen, wie man die Lichter, Vorschaltgeräte und Kabel am besten transportiert. Mehrere Positionen werden angepeilt. Eine liegt tief unten in der Schlucht. Dort soll einer der beiden großen 4 KW-Tageslichtscheinwerfer hingebracht werden, als Gegenlicht um der Schlucht die richtige Bildtiefe zu verschaffen. Aber auch dies ist nach einer bestimmten Zeit ausgeführt. Um 17 Uhr ist alles geschafft. Es ist merkwürdiger Weise nicht das viele Tragen und Schleppen, das dem Team am meisten zu schaffen macht, sondern der stetige Lärmpegel in der engen Schlucht, verursacht durch das durchströmende Schmelzwasser von First- und Freschengebiet. Man muss sehr laut sich zurufen, um überhaupt verstanden zu werden. Langsam übernimmt das Kunstlicht die Oberhand über das immer spärlichere einflutende Tageslicht. Die markanten Strattenkalkfelsen treten jetzt stärker hervor. Die letzten Scheinwerfer werden positioniert. Bereits beim Einleuchten der Scheinwerfer kann man erahnen, dass hier etwas Besonderes auf das Team wartet.

 

Um 17 Uhr wird der Drehort verlassen. Ein Aufatmen geht durch die Mannschaft, als sie hinaufsteigen, um bei der alten Hütte am Staufensee eine Essenspause zu machen. Stille, die selten so intensiv erlebt wird wie jetzt. „Lärm kann wirklich stressen“ – meint Jens Weber unter Zustimmung der Beteiligten. Um 19 Uhr ist die Sonne hinter den Hügeln verschwunden. Es geht wieder hinunter. Es ist bereits ein wenig düster in der Rappenlochschlucht. Dann warten alle auf den großen Moment! Es werden die Lampen gezündet. Erst langsam kommt das Licht, aber schnell überstrahlt das Kunstlicht das noch vorhandene, spärliche Tageslicht. Immer stärker erstrahlt die Rappenlochschlucht. Den wenigen Anwesenden bleibt der Mund offen. Es ist eine irreale, bizarre Kulisse, die sich immer stärker herausarbeitet und nichts mehr mit dem ursprünglichen Bild am Tag zu tun hat. Noch einige Minuten später stehen sie da und bewundern ein Spektakel, dass nie jemand wieder so zu Gesicht bekommt, denn genau 10 Jahre später, stürzt dieser imposante Teil der Rappenlochschlucht unwiederbringlich in sich zusammen.

 

Nach dem Spektakel werden noch ein paar Lichtkorrekten gemacht um für den entscheidenden, morgigen Tag vorberietet zu sein und um 21 Uhr ist Arbeitsende. Das Team verlässt müde aber entspannt die Schlucht für den morgigen, entscheidenden Drehtag.

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