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dornbirnerLand

Dezember 2000 - Mai 2002

Dreh in der "alten" Rappenlochschlucht

Es ist selten, dass Erdgeschichte sich im Zeitraum eines Filmprojektes entscheidend verändert. Bei diesem Projekt war es so, denn genau 11 Jahre nach dem ersten Dreh und noch vor der Präsentation als 4-teiliges Verkaufsprodukt in der DVD-Variante (Dez. 2011), stürzt die Rappenloch-schlucht am 10. Mai 2011 in sich zusammen.

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Filmprojekt "dornbirnerLand"

Im Frühling 2001 startete das Filmprojekt über das Gemeindegebiet von Dornbirn. Ein Film der den Leuten zeigen sollte, was für ein Naturschatz die flächenmässig drittgrößte Gemeinde des Landes aufzuweisen hat, aber auch wie groß das Gemeindegebiet im allgemeinen ist. Denn nicht alle Dornbirner wußten und wissen, dass Damüls an die Gemeinde Dornbirn grenzt und die wenigsten wußten damals und wissen heute, seit wann und warum das so ist:  Ein Dorfbrand in Ebnit 1927 gab indirekt den Ausschlag. Oder wer kannte und kennt schon den Ursprung der Dornbirner- bzw. der Ebniter Ache. Solche Fragen und noch mehr gaben den Weg vor, diesen Film zu machen. 

Aber in erster Linie war es ein emotionales Eintauchen in die Natur mit damals neuen, technischen Mitteln und Möglichkeiten. Begünstigt durch aussergewöhnliche Wetterphänomene wie beispielsweise eine lange Frostperiode, die das Rappenloch in einen Winterzauber verwandelte, wie er bis zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr zu sehen war. Während den Drehaufnahmen lernte das Team auch immer mehr über die Geschichte der Gemeinde und erfuhr Geschichten von  Bauern, Jägern, Grundbesitzern und anderen, die es Wert waren weiter erzählt zu werden.

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Winterdreh im Rappenloch

Mike Bertschler und Hanno Thurnher stapfen durch den tiefen Schnee hinunter zur Ache. Beide blicken Richtung Wasserfall: „Was für ein Winterzauber“, entkommt es Thurnher. Das Wasser fließt nur noch eingeschränkt an den Rändern des bereits völlig vereisten Wasserfalles. Die umliegenden Tannen tragen schwer an der Schneelast und die Bäume die ganz nah beim Wasserfall stehen, sind auch mit Eis überzogen, wie ein riesiger Zuckerguss. Bereits Anfang Dezember hat sich eine arktische Kälte über die schattigen Täler des Landes gelegt und alles in dieses seltenes Gebilde verwandelt, eingefärbt in polarem Blau. Es ist bitterkalt, aber die Faszination unterdrückt das Kältegefühl. „Bald ist das letzte Wasser zu Eis geworden, dann wird es totenstill und alles erstarrt, fantastisch. Hier müssen wir sofort reagieren“, meint Thurnher und bald ist eine Kranposition gefunden. Vor der Parzelle Gütle, direkt an der Ache hat Thurnher „großes Potenzial“ entdeckt. Nach dem ein weiterer Helfer gefunden wird, in Person von Martin Matt, geht es am nächsten Tag an die Arbeit. Am späten Vormittag gleitet der 12 m lange Kranarm in einer nicht enden wollenden Kamerafahrt über die bizarre Eislandschaft der Dornbirner Ache. Was für eine Aufnahme schwärmen alle. Am Ende wird sie 70 Sekunden lang sein und den Abspann der Naturdokumentation „dornbirnerLand“ krönen. Eine so außergewöhnliche Aufnahme mit so wenig Aufwand, das ist selten, aber Thurnher will mehr...

 

Nachdem alles erledigt ist, fährt Thurnher nochmal ins Gütle, übersteig die Absperrung auf dem Weg ins Rappenloch. Fasziniert von der fast unwirklichen Winterlandschaft, ist er auf der Suche nach einer weiteren Einstellung und nach einer Stunde hat er das richtige Motiv gefunden: Der 2. Wasserfall. Was für ein Bild! Ein einziger „Eisklumpen“ prosaisch gesprochen, aber je näher man dem Phänomen kommt, desto größer wird die Faszination vor diesem Kunstwerk aus Wasser und Kälte. Und schnell hat er ein fertiges Bild im Kopf:

 

Der Kran gleitet knapp an den aufwölbenden Eisschichten entlang in den Abgrund. Die Tiefe des Bildes kommt so richtig zur Geltung. Eine cineastische Einstellung der Extraklasse. Und dann vielleicht noch ein Eiskletterer, der heroisch hinunterklettert. Peter Schäffler (1963-2006), ein international bekannter Bergsteiger und ausgezeichneter Eiskletterer, das würde die Sache krönen, schwärmt Thurnher, um gleich von Zweifeln eingeholt zu werden: Aber wie soll das gehen, alles eng, keine Möglichkeit den Kran zu verschieben, hier muss alles auf den Millimeter genau eingerichtet werden, sonst wird das alles nichts. Nur eine einzige Einstellung ist möglich und die ist in der Höhe auch noch begrenzt. Er beginnt zu messen. Nach hinten, kaum Platz ist zum Geländer, aber das kann man abmontieren, aber am Steher? Da kommt man gerade noch vorbei. Welche Kranarmlänge sich da ausgeht? - 12,43 m – misst er aus - unglaublich - passt ganz genau für die größte Variante - „das Risiko gehe ich ein!“ Hier muss der Dolly hin, dann geht sich das aus. Er ballt die Faust: „Das wird was!“ Danach sieht er sich auf dem Weg zurück den kürzesten Weg an. Es geht nur über die zugefrorene Ache vor (orografisch) dem 1. Wasserfall. Oben gibt es eine Zufahrt von der Ebniter Strasse, die mit einem Aebi (landwirtschaftliches Fahrzeug) zu bewältigen ist. “Aber, wie verklickere ich das nur den anderen?“

 

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2 Tage später ist der Aebi durch Bertschler organisiert und Matin Matt hilft wieder mit. Nach dem Transport schleppen die drei das Equipment über die Ache. Keine Kritik an dieser Operation, obwohl es fast noch mehr Aufwand und Anstrengung bedeutet wie die Geschichte im Mai 2000! Auf dem zugeschneiten Fußgängerweg wird der Dolly herhalten für den Weitertransport bis zur Stiege. Ein Gewichtstein nach dem nächsten wird auf das robuste Teil gelegt. Nach knapp 20 Stück (300 kg) ist genug. Dann noch Stativ und Kleinteile und es geht Richtung Rappenloch. Matt zieht vorne und Bertschler schiebt hinten. Es knistert der Schnee unter der schweren Last, doch mit der Zeit übertönt vom Schnaufen und Stöhnen. Die verzauberte Winterlandschaft verliert für die beiden schnell an Strahlkraft und immer mehr ist auch ein leises Fluchen zu vernehmen. Aber dann ist es geschafft. Die Gewichtsteine werden vor der Stiege abgeladen.

Insgesamt fünf Mal muss der Weg genommen werden. Nach einer kurzen Pause, erfolgt der 3. Schritt: Alles über die Stiege. Die Gewichte sind der einfache Part - schwer, aber handlich. Danach die Kranteile. Es wird der Weg noch gesalzen und Split gestreut, um rutschen zu verhindern. „Ich kann mir jetzt keine Verletzten leisten“, meint Thurnher. Mühsam geht es jetzt Teil für Teil nach oben, manche Stücke werden alleine getragen, manche zu zweit. Martin Matt muss immer wieder Pausen einlegen. „So Herr Matt, alles ok bei Ihnen“, die Bertschlersche-Umschreibung für „geht es nicht schneller!“ Dann die schwersten Teile: Der Korb und das Mittelteil, aber irgendwann ist auch das erledigt. Jetzt noch der Dolly und der ist die größte Herausforderung! „Hau ruck, hau ruck, hau ruck“, schallt es durch die Wälder! Auch beim weiteren Weg bleibt es mühsam. Auf dem engen Steg zum Drehort muss der Dolly hochgestellt geschoben und gerollt werden. Dann ragt wieder der Felsen hervor, dann rutscht er nicht richtig, die Sache nagt langsam an den Nerven. Manche Dinge schiebt man mit der Schubkarre aber die meisten Teile müssen getragen wurden und nach über vier Stunden – kurz vor 12 Uhr mittags - ist das letzte Tel vor Ort.

 

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Jetzt geht es hinunter zum Gasthaus Gütle Mittagessen, zu Robert Rodia den alle nur „Knox“ nennen, der die drei mit guter Laune und einem Lachen empfängt. Irgendwann tauen die Füße auf und das schmerzt höllisch. Aber das Essen schmeckt. Knox gibt noch ein paar Sprüche zum Besten – Noch ein Kaffee und um 14 Uhr kehren die drei zum Ort des Geschehens zurück. Der Dolly ist schnell positioniert und mit Holz leicht geschiftet - dann die Bazooka, selbst das schwere Mittelteil ist gleich verankert. 1. Kranarmverlängerung nach vor, dann schwere Rückteilverlängerung eingehängt, 2. Kranarmverlängerung nach vor, Stütze unter die Verlängerung und 3. Kranarmverlängerung, Parallellogrammstangen vorne und hinten verkuppelt! Verstrebungen eingehängt und festgezurrt! Dann der Korb. Ein ewiges hin und her, er schwankt mal nach rechts nach links und gefährlich nach hinten und es gelingt nicht ihn einzuhängen, da der Kran von links (Schlucht) nicht zugänglich ist. Befehle, Gegenbefehle wechseln, bis das Teil wieder auf dem Boden landet. „So geht es nicht, ich bin hier der Kommandeur, verstanden. Ich weiß, wie man das macht, Ok, hast du verstanden?“ lässt Thurnher energisch wissen. Nach 10min Auseinandersetzung mit Bertschler noch einmal und es gelingt unverzüglich. Jetzt müssen an der Stiege entlang die weiteren Verlängerungen angebracht werden und hinten am Korb die Gewichte für die Balance eingeladen werden. Beim Einhängen des 5. Kranarmteiles mitten auf der steilen Stiege, rutscht Matt aus und poltert über die Stiege. „Oje, Herr Matt, geht es?“ fragt Bertscher verschlagen. Matt´s Kappe ist verrutscht, sonst ist nichts passiert. „Geh du einladen, ich geh nach vorne, meint Bertschler. Bertschler und Thurnher haben schnell die vorletzten Teile eingehängt und schauen dem „Tiroler“ zu, wie er sich abmüht immer höher die Gewichte in den Korb einzuladen. Jetzt betrachten sie das erste Mal seine Kopfbedeckung genauer, wie sie jedesmal verrutscht, wenn er unter dem Korb hindurch die nächsten Gewichte holt. Ein Riesenteil einer Sportkappe, hoch wie eine Bischofsmütze – mal quetscht es sie ein, mal reißt ihm diese ganz vom Kopf. Wie ein Running-Gag. „Vorsicht Herr Matt Kopfbedeckungsoberkante beachten“ ruft Bertschler ihm zu. Und bei jedem Mal zurechtrücken, sieht die Mütze anders aus, mal wie ein unendlich in die Höhe gezogener Zweispitz, mal zylindrisch, mal wie ein Schiffsschornstein, aber meist wie eine übergroße, gequetschte Jakobinermütze. Die beiden beobachten gefesselt die Slapstick Szene und können sich kaum halten vor Lachen. Irgendwann fällt Matt die Untätigkeit der beiden auf. Kurzes Aufgegehren, aber am Ende lacht der Tiroler noch laut mit. So laut, dass es dem akustisch hypersensiblen Bertschler schnell zu viel wird. „Mensch Martin, lach nicht so laut, sonst bricht das Eis ab und alles war umsonst!

 

Danach müssen die letzten beiden Teilen bereits direkt auf der Brücke zu dritt eingehängt und umständlich die Parallellogrammstangen eingefügt werden. Am Ende kommt noch der Galgen. Aber um 16:10 Uhr steht der Kran - Es dämmert bereits, aber es ist geschafft, Peter Schäffler und seine Lebensgefährtin können am nächsten Tag kommen…

 

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Chaos auf Süns

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