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September 2002 - August 2003

Projekt Rheindelta

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Rheindelta (Übersicht)

Die Dreharbeiten von September 2002 bis Juli 2003 finden in der Zeit des großen Umbruches an der Rheinmündung statt. Noch fährt die Dienstbahn der Internationalen Rheinregulierung mit Steinbruchmaterial bis zur Umladestation nach Hard. Laufend werden die Rheindämme in den See vorgestreckt. Die Sandinseln, die erst durch das Pfingsthochwasser 1999 entstanden sind und sich heute (2023) langsam zu einem Auwald entwickeln, sind noch völlig vegetationsfrei. Der große Kiesbagger steht fest wie ein Wahrzeichen im Bodensee, gut zu erkennen selbst vom Pfänder. Die Bäume in der Fußacher Bucht mit den Brutplätzen der Kormorane stehen noch komplett, aber der erste Konflikt von Fischern und Naturschützern steuert auf seinen Höhepunkt zu. Der rechte Rheindamm wird in einem großen Bauprojekt auf das hundertjährige Hochwasser mit einer Durchflusskapazität von 3100m³/Sek. erhöht. Die Rheindämme werden über die Winterszeit weiter in den See hinausverlängert. Gleichzeitig werden die Seedämme erhöht, flankiert von ökologischen Begleitmaßnahmen. Aber trotz der intensiven Baumaßnahmen, wirkt die Rheinmündung durch das überall verteilte Schwemmholz, wie eine wilde Urlandschaft. Somit kommen während der Dreharbeiten nicht nur spektakuläre Tier- und Pflanzenaufnahmen zustande, sondern auch außergewöhnliche Stimmungsbilder und das Projekt entwickelt sich auch zu einem Stück Zeitgeschichte.

Gleichzeitig bieten die vier Jahreszeiten zwischen  Herbst 2002 und dem Sommer 2003 alles was für eine gelungene Naturdokumentation notwendig ist. Der Herbst bringt nach einer ersten goldenen Phase Mitte November ein Rhein-Hochwasser, was selbst die Verantwortlichen der Internationalen Rheinregulierung überrascht. Am 16. November tritt der Rhein nach einem Föhneinbruch und Starkregen, im Einzugsgebiet der südlichen Schweiz, bei Lustenau und dem weiteren Verlauf über die Ufer des Mittelgerinnes. Das Wasser durchbricht eine Baustelle beim Außendamm und bringt einen Baukran zum Umstürzen.


Der Winter 2002/2003 kommt erst Mitte Jänner, bringt aber Schnee bis ins Rheindelta. Schneestürme im Februar und eine lang andauernde Kälteperiode, lassen große Teile der Fußacher Bucht zufrieren und garantieren imposante Motive. Der Frühling 2003 ist trocken und warm. Die Vegetation beginnt früh und über den Sommer 2003 muss man keine Worte verlieren, denn er geht als heißester Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte ein. Am 26. Juni kommt es nach unerträglicher Hitze zu einem kleinen Tornado über dem Bodensee, der großen Schaden anrichtet. Ende Juli ist das Team froh, wegen der großen Hitze in das Große Walsertal flüchten zu können.  


Zwei Dinge haben die Produktion im Rheindelta außerordenlich dominiert: Besondere Tieraufnahmen und die Suche nach Stimmungen. Beide Dinge erfordern völlig unterschiedliche Herangehensweisen. Bei den Brutvögeln in der Lagune und den Schleienlöcher, aber auch vor dem Rohrspitz versucht man anfangs die Sache mit technischem Aufwand zu lösen. Doch die Lösung mit Remote-Technik entpuppt sich als zu aufwendig und unflexibel. Von nun an wird aus der Ferne gedreht, oder aus Verstecken mit starken Teleobjektiven.

Wesentlich besser läuft es bei den Stimmungen. Kein Gebiet in Vorarlberg hat mehr unterschiedliche Wettersituationen zu bieten wie die Rheinmündung. Immer wieder fährt Thurnher - auch ohne Assistenz - an den Bodensee. Besonders der April ist einzigartig: Wetterw
echsel in wenigen Minuten: Von Sturm über Regen, Graupelschauer und Schneefall, bis zum strahlenden Sonnenschein, alles möglich in kürzester Zeit. Ganz zu schweigen von den unterschiedlichsten Sonnenuntergänge, den das Rheindelta und die Rheinmündung bieten...

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Abenteuer am Rheinbrech

An einem strahlenden Oktobertag 2002 fahren Mike Bertschler und Hanno Thurnher mit einem gemieteten kleinen Motorboot vom Harder Hafen nach Gaissau. Im weiten Bogen geht es auf den See hinaus, denn durch die Vorstreckung des Alpenrheins ist der Weg heute deutlich länger als noch vor Jahrzehnten. In und um die alte Rheinmündung werden verschiedene Aufnahmen gemacht. Am frühen Abend fahren sie wieder zurück. In der Fußacher Bucht wird noch eine Zwischenstation eingelegt. Dann geht es an der linken Rheinmündung entlang zur Mündung. Der Westwind wird immer stärker und als die beiden die Mündung erreichen, bläst der Wind schon stark. Durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Strömungen ist der Wellengang am sogenannten Rheinbrech besonders bei Westwind stärker als auf dem offenen See. Die Wellen haben bereits eine Schaumkrone. Während der eine entnervt die Kamera hochhält, fährt der andere cool gegen die Wellen an. Immer stärker schlagen sie an das Boot. Es ist der absolute Albtraum. Zusätzlich kommen den beiden dunkle Gedanken, dass der Tank bald leer sein muss. Während die Kleinteile in 2 Koffern sicher verstaut sind, hat man durch den Platzmangel darauf verzichtet, den Kamerakoffer mitzunehmen. Je näher sich das Boot mit den beiden der Mündungsmitte nähert, umso stärker wird der Wellengang. Auch das Hochhalten der Kamera schützt jetzt nicht mehr vor dem Wasser. Es spritzt bereits über das Boot. Alles schaukelt hin und her. Als Thurnher kurz davor ist, aus nervlicher Überanspannung, ins Wasser zu springen um der Aufregung ein Ende zu setzen, kommen die beiden in ruhigeres Fahrwasser. Der Wellengang lässt deutlich nach. Bertschler gibt nochmals Gas und einige Minuten später erreichen die beiden das Harder Binnenbecken. Es dauert nur kurz und der Motor beginnt zu stottern und setzt dann ganz aus. Der Tank ist leer. Die beiden können ihr Glück kaum fassen. Nicht auszudenken wenn der Vorfall mitten auf der Rheinmündung passiert wäre. Da die restlichen Aufnahmen westlich der Rheinmündung gemacht werden, wird das Boot daraufhin in Gaissau angelegt. Erst am letzten Tag des Jahres fährt man einem ruhigen und milden Wintertag zurück nach Hard.

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Der Ruf des Großen Brachvogels

Hanno Thurnher und Mike Bertschler haben sich schon am Nachmittag an der rechten Rheinmündung eingefunden. Nach intensiven Drehs wird Pause gemacht. Die Sonne steht schon recht tief an diesem späten Septembertag 2002. Beide nehmen ihr Abendmal ein und unterhalten sich über den vergangenen Tag bei angenehmen Temperatur. Da plötzlich hören sie diesen lange erwarteten Rufe. Der Ruf des Großen Brachvogels. Alles auf und an die Kamera und an den Feldstecher. Weit weg, aber immer näher kommt der melodische Ruf. Und dann sehen die beiden die Formationen im Abendlicht. Wie majestätisch sich das ansieht. Knapp über dem Rheindamm segeln sie ein, setzen zur Landung an und lassen sich dann doch nochmals hochtragen vom Gefühl und dem Wind. Nochmals wird sicherheitshalber die große freie Sandfläche an der Rheinmündung nach Feinden begutachtet. Im großen Bogen überfliegen sie die Mündungsarme, immer begleitet von diesem einzigartigen, flötenähnlichen, langgezogenem Klang. 

 

Die Sonne wirft jetzt die letzten Sonnnstrahlen über das Wasser. das angeschwemmte Holz mit seinem ganzen Wurzelwerk wirft lange, blaue verwirrende Schatten über den Schick. Wie eine Urlandschaft liegt die Rheinmüdnug da. Akustisch begleitet von Möwen und anderen Wasservögeln. Im Hintergrund taucht sie wieder auf, die Formationen der Brachvögel die nochmals ihr Ziel anvisieren. Sie lassen sich tragen über den Rheindamm, mal ganz tief, dann wieder ziehen sie hoch, nur mit ihrer Flügelstellung gesteuert. Und dann nach erneutem Überflug landen Sie zu hunderten auf den Sandflächen oder im seichten Wasser. Ein wildes Durcheinander ihrer Rufe überzieht die Mündung. Ein Spektakel besonderer Art. Wer das einmal erlebt hat, schwärmt lange davon. Jetzt stehen sie im seichten Wasser, tiefrot beleuchtet die Sonne ihr Gefieder im letzten Abendlicht. Das Wasser schimmert blau zwischen den einzelnen Vögeln hindurch. Durch das nahe heranziehen mit dem Teleobjektiv sieht man die Häuser in Lochau-Tannenbach. Links sieht man die Pfarrkirche von Lochau, unwirklich nah.  Bertschler sieht alles riesengroß in Farbe durch seinen Feldstecher und ist angetan von diesem großartigen Bild, während Thurnher das ganze Spektakel nur durch einen SW-Sucher beobachten kann. Immer wieder strömen noch weitere Brachvögel nach und landen formschön in den Wassern des Rheins. Immer lauter wird der Ruf der hunderten Vögel, bis es langsam ruhig wird, während die Sonne endgülig versinkt. Wind kommt auf und es wird blitzschnell kalt.. Beide packen ihre Ausrüstung zusammen und verlassen mit diesem Erlebnis die Rheinmündung. 

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"Die Welt ist aus den Fugen"

„Die schweren Regenfälle des gestrigen Tages in Graubünden, haben heute in den frühen Morgenstunden den Rhein bei Lustenau über die Ufern treten lassen. In Hard ist ein Baukran der Internationalen Rheinregulierung unterspült worden und anschließend umgekippt. Es wurde niemand verletzt. Der Rheinbauleiter Uwe Berg..." „Was, das gibt es doch nicht“ Thurnher springt mit einem Satz aus dem Bett, schaltet das Radio aus, zieht blitzschnell Hose und Hemd an und 2 Minuten später fährt er aus der Tiefgarage und überfährt beinahe eine Katze aus der Nachbarschaft. „Die Welt ist aus dem Fugen“ ,ein Hochwasser am Alpenrhein Mitte November, das kann doch nicht wahr sein“. Er ruft Jens Weber an, es ist jetzt kurz nach halb 8 Uhr. Der meldet sich noch ganz verschlafen, denn es ist Samstag und er wollte eigentlich ausschlafen, nach dieser anstrengenden Woche „Wir müssen zur Rheinbrücke, der Rhein ist über die Ufer getreten“ „Das gibt es doch nö? „Doch, du Rinzigünar, auf mit dir . es kam gerade im Radio“. Nach 10 Minuten sitzen beiden gemeinsam im Auto und fahren zügig Richtung Hard. Vor 2 Tagen hatten sie die gesamten Kranteile auf am Damm des Mittelgerinnes unter der Brücke geparkt, um für die nächste Woche den Kamerakran dort für einen Dreh aufzustellen. „Meine Güte, ich hoffe nur, dass noch alles da ist. „Sicher, die Teile sind doch viel zu schwer,“ meint Weber euphemistisch. „Genau, so schwer wie der Baukran der umgestürzt ist, unten bei den Schleienlöcher, meint Thurnher lakonisch. Sie erreichen die Brücke und das Rheinvorland. Das Wasser ist bereits zurückgegangen, nur noch große Lacken bedecken das rechte Überschwemmungsgebiet. Und schon auf den ersten Blick sieht man Teile im Rheinvorland liegen. „Von wegen zu schwer“ Sie kämpfen sich durch den Schlick zum Damm. Ein Blick auf die völlig mit Sand und Schlamm überzogenen Kranteile lässt Schlimmes befürchten. Da fehlen mindestens 3 große Teile. Dolly, Korb und Mittelteil sind mit den Gewichten auf alle Fälle noch da und 2 Verlängerungen werden schnell gefunden und ein dritter ist auch noch da. Aber wo ist die lange, leichte Remote-Verlängerung? Nach kurzer Zeit gibt Weber Entwarnung, 200m flussabwärts ist sdas Teil im Rheinvorland gestrandet. Gott sei Dank, alles da, da haben wir echt Glück gehabt. Wenn die Teile ins Mittelgerinne kippen ist es aus, dann können wir die in Romanshorn suchen. Nachdem sie die weggeschwemmten Teile wieder eingesammelt haben, entscheiden sie den Kran erst ein wenig vom Schlick zu befreien und dann aufzubauen. Sicher ist sicher. Zu Mittag wird das außergewöhnliche Hochwasser im Radio bestätigt. Seit den Aufzeichnungen der letzten 100 Jahre hat es solche Pegelstände an einem 16. November am Alpenrhein noch nie gegeben. Am nächsten Tag erreicht der Bodensee mit 413 cm den höchsten November-Wert seit Aufzeichnungsbeginn vor 137 Jahren. „Sag ich doch, die Welt ist aus den Fugen!"

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Das lange Warten...

Unfassbar tief festgefahren hat sich Hanno Thurnher mit seinem Auto im Schlick der rechten Rheinmündung. Kein vor und kein zurück ist mehr möglich. Die Vorderräder drehen nur noch durch, wie Thurnher selbst! Nach einer Weile sieht der "Autokiller", wie ihn Bertschler immer nennt, ein, dass es keinen Zweck mehr hat. Er muss warten bis Hilfe kommt. Jens Weber macht sich widerwillig auf den Weg von Dornbirn aus. In der Zwischenzeit sitzt sich Thurnher zum Wasser. Der Blick auf den Bodensee beruhigt ihn mit der Zeit. Es sieht auf die Wellen hinaus und dann hat er den Einfall: "Genau, das ist der richtige Wellengang den wir brauchen für die Anfangsszene. Dieses leicht aufgerauhte, gleichmässige und mit einer leichten, weissen Schaumkrone versehene, begegte Wasser! Das ganze in der Abenddämmerung mit wolkenlose Himmel, genau das brauchen wir für die Darstellung des Urbodensees vor 12000 Jahren."

2 Tage später wird der Kran 300 Meter rheinabwärts positioniert, fast genau am Wasser. So dass er gut über das Ufer gleiten und noch weit in den See hinausschwenkend kann. Die angeschwemmten Holzstücke werden ein wenig „präpariert“ und in Position gebracht. Dann wird gewartet....

Mehrere Mal wird Jens Weber zur Rheinmündung in den Abendstunden zur Rheinmündung zitiert, bis sich nach ersten Aufbautätigkeiten die Stimmung dann doch noch ändert und der Dreh wieder abgesagt wird. An manchen Tagen ist der Aufbau des Remote schon weit fortgeschritten, bis sich Thurnher dann doch für eine Verschiebung entscheidet. Weber erträgt die Sache zu Beginn noch mit Humor, aber beim 3. Mal ist er bereits bei der Anfahrt genervt. "Das wird sicher eine Pleite, das sehe ich jetzt schon, da muss man doch nur auf den See hinaussehen..." klagt er gegenüber Kathi Nagel, die ihn bei der Schranke beim Schleienloch abgeholt hat. Und tatsächlich wird Thurnher den Dreh wieder verschieben, aber diesmal als die beiden gerade ankommen.

Dann vergehen wieder ein paar Tage, wo sich Thurnher unschlüssig ist und sich auch nicht traut, wieder einen "Fehlalarm" zu verursachen und Jens Weber völlig zu vergraulen. Aber dann, es ist Ende März 2003, den ganzen Monat hat das Wetter fast nur Sonnenschein gebracht, jetzt scheint das Wetter gleich mal umzuschlagen, und die Vorausstzungen sind diesmal genau die Richtigen. Das Wetter ist klarer und windiger. Er traut sich den Anruf zu tätigen. "Ok, heute ziehen wir das durch..." "Da bin ich mal gespannt" die Rückantwort. Und als Jens Weber anrückt mit der Technik, scheint alles nach den Vorstellungen zu laufen. Nach 50min ist die Technik aufgebaut, die Sonne verschwindet hinter dem Horizont, der Wellengang ist gleichmässig und die Schaumkrone ist vorhanden. Die Kamera gleitet über das Wasser in einer Abendstimmung wie vor 12000 Jahren, als sich das Eis zurückgezogen hatte und der Urbodensee bis Chur reichte...

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Der letzte Abend

Thurnher hält einen dünnen Ast in der Hand, am anderen Ende spießt eine kleine Bratwurst. Vor ihm brennt ein Feuer, ein Bertschlerfeuer. Die Flammen lodern versteckt in einer Düne, weit draußen an der rechten Rheinmündung. In der anderen Hand hält er ein Bier und nimmt gerade einen kräftigen Schluck. Wie Abenteurer haben Bertschler und Thurnher es sich eingerichtet, mit Decke, Schlafsack und Zelt. Illegal, aber es ist ihnen diesmal ziemlich egal, denn was haben sie nicht alles an Übertretungen von Bootsbesitzern, Badenden und sonstigen Besuchern hier in den letzten Monaten erleben müssen. Die Kamera steht bereit, sollte noch eine besondere Lichtstimmungen sich ergeben, oder ein „Schwarzstulpenknöterich“, (ornithologische Wortkreation von Bertschler), am Himmel auftauchen. Die letzten Besucher sind schon lange abgezogen und die Sonne verschwindet gerade als großer Ballon tiefrot im See. Kein Wölkchen bedeckt den Himmel. Die Hitze des Tages ist abgeklungen und eine angenehme Brise streicht über die Häupter der beiden. „Was ist das für ein Leben, was ist das für ein Privileg hier zu sitzen, in diesem Paradies“. Sie stoßen an und schauen auf den sanften Bodensee hinaus. Die 2. Augusthälfte hat vor ein paar Tagen begonnen und der außergewöhnliche Sommer 2003 geht langsam ins Finale. Was waren das für Stimmungen in den letzten Monaten! „Heute habe ich eine Überraschung – einen Wein, einen Speziellen, zum Abschluss sozusagen!“ Einer der letzten die ich noch im Keller gefun…“ „Los, Schluss mit der Litanei und dem Tamm-Tamm, raus mit dem Scherben!“ Dann zieht Thurnher entnervt die Flasche aus dem Rucksack. „Banause“ vernimmt man leise. „Gib mal her“ – und schon hält Bertschler das Stück in den Händen: „Cote du Rhone 1990“, Den hast sicher von dem, der dich immer anruft und du nicht abhebst?“ „Genau, heute mit dir im Schlepptau, vermag ich das nicht mehr, das Weininteresse früherer Jahre ist dahin, aber das passt eh nicht mehr zur nüchternen Realität heute!“ „Bertschler lacht. Thurnher weiter: „Das war auch so ein wahnsinniges Jahr, damals 1990“, beginnt er zu schwärmen, „ein Jahrhundertsommer für den…“ „Bla-Bla, Herr Herbstelier, aufmachen, sonst ist gleich Winter, los!“ Gläser gibt es auch? Kaum ist die Flasche geöffnet, und der Wein eingeschenkt und flüchtig angestossen, gurgelt Bertschler das kostbare Getränk wie Wasser hinunter! „Du Barbar, das gibt es ja nicht, Bertschler, der volle Banause, ich packe es nicht…“ entkommt es Thurnher und zieht die Flasche verärgert wieder an sich.
„Los nochmal einschenken, fordert Bertschler! „Bist du völlig von allen guten Geistern verlassen, Tschepnik? „Los gib her, ist eh nicht so schlecht, das Franzosengesöff“ „Nein, du kannst den guten Tropfen nicht ästimieren“, „Ästimieren, der Baron vom Schloss Trianon hat gesprochen“, „Von Schloss Trianon, heißt das…“ jetzt hat Thurnher den „Knopf“ gedrückt. Bertschler springt auf „Du verdammter Oberlehrer, macht am Tag auf Jakobiner und rechtfertigt sogar den Sturm auf den Tulpenpalast!“ „Tuilerienpalast…“ „Unterbrich mich nicht - und am Abend gibt er den „feinen“ Bourbonen, das glaub ich ja nicht, du gottverdammter Opportunist.“


„Und du rupfst das übervolle Glas hin zum Rachen und schüttest alles mit einem Mal hinunter, wie ein abgehalfterter Seemann im verwaschenen Unterhemd und Riesenanker am Arm! 500 Schilling hat die Flasche gekostet, damals. Soviel wie dein Moped heute wert ist. Sag einmal, bist du völlig von der Zivilisation verlassen?“ „Wir sind hier auf einer einsamen Insel und nicht auf dem D-Deck der Titanic“ „Apropos einsame Insel: das Feuer ist aus und ohne Feuer kein Wein!“ Bertschler völlig erschrocken: „Stimmt, ohne Feuer geht gar nichts“, aber nach wenigen Handgriffen brennt der Funken wieder. Toller als zuvor und die Gemüter haben sich überraschender Weise schnell beruhigt. Thurnher schenkt ein und beide genießen den archaischen Blick zwischen den Dünen hinaus auf den See. Sie lassen den Sommer Revue passieren und Thurnher öffnet noch eine Weinflasche und diesmal gelangen die Schwebeteilchen des guten Tropfens bis zum Glasboden.

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